Ein Licht im Dunklen entzünden
Über die Angst vor der Dunkelheit und dem Bösen und wie wir sie überwinden können.
Ich bin nachts in eine unbekannte Gegend der Stadt gefahren. Eben waren da noch die anheimelnd warm erleuchteten Fenster von Wohnhäuser. Nun hat mich der Bus an einer unbeleuchteten Ecke zwischen Industriegebiet und Wald ausgespuckt. Wie ein Soldat auf Nachtwache bin ich plötzlich hell wach, alle Sinne sind geschärft, lausche, mache die Augen weit auf, um der ungewissen Dunkelheit Eindrücke abzugewinnen, die mir Orientierung bringen könnten. In meinem Bauch steigt das Kribbeln der Angst auf und mein Körper wird mit Wellen von Hormonen geflutet, die seit Urzeiten unser Überleben sichern sollen. In meinem Kopf läuft ein Kino von Gruselgestalten, die sich aus den Schatten lösen könnten… da höre ich Schritte … zucke am ganzen Körper zusammen, bereit zu fliehen oder zu kämpfen … ein Schatten tritt aus der Dunkelheit hervor: “Hallo, Devta, meine Liebe, da bist Du ja!” Meine Freundin, die ich in ihrem neuen Heim besuchen wollte, holt mich ab.
Existenzielle Ängste
Die Angst vor der Dunkelheit ist wohl eine unserer Urängst. Im Hellen können wir unsere Umgebung klar wahrnehmen und sehen, ob Bedrohungen auf uns zukommen – oder wie ja meistens – alles in Ordnung ist. Aber im Dunklen ist unserem Geist Tür und Tor geöffnet, in das Unsichtbare alle möglichen Formen, die aus unseren Ängsten geboren werden, hinein zu phantasieren. Der ängstliche Geist erschafft Geister. Tatsächlich hat ein möglicher Angreifer es leichter, im Dunklen unsere Wahrnehmung zu überlisten und sich anzupirschen. Aber was unseren Geist/Verstand so anstachelt und uns in Alarmbereitschaft (= Stress) versetzt ist die Ungewissheit, was da draußen lauern mag. Was uns anspannt ist heute mehr das Potential der Bedrohung. Wieviel Gefahr wir vermuten und daher Bedrohung empfinden, liegt viel mehr an unseren eigenen Ängsten, als an einer tatsächliche Gefahr. Je mehr wir “im Dunklen tappen” desto größer die Leinwand für Projektionen unseres negativen Geistes: In seinem Bemühen, uns vor potentieller Gefahr zu schützen, springt er umher, auf der Suche nach Anhaltspunkten, versucht diese und jene Interpretation der allzu partiell wahrgenommenen Wirklichkeit. Monkey Mind.
Es macht uns defokussiert, kampfbereit, hektisch, gereizt, lässt das Herz zu schnell schlagen und macht den Atem flach. Egal wie friedlich und wohlgesonnen das dunkle Draußen ist: unser innerer Friede ist fern, wir empfinden die Welt als feindseelig und erschaffen die Gespenster unserer Gedanken letztlich im Außen, in der Welt, bekannt als selbsterfüllende Prophezeiung.
Angst und Aggression
Tritt “endlich” aus dem Dunklen etwas Greifbares heraus, ist der Geist/Verstand fast erleichtert, da das nervtötende Umherspringen und Nichtwissen ein Ende hat. Mit der aufgebauten und aufgestauten Spannung stürzen wir uns mit einer Wucht in Handlung, die dem Objekt unserer Handlung nicht unbedingt gerecht wird, da wir es als Projektionsfläche unserer Angst missbrauchen. Ist das ganze System schon auf Kampf eingestellt, so reagieren wir aggressiv, selbst wenn von außen Liebe statt Bedrohung kommt.
Vor lauter Angst hätte ich meine Freundin fast angefallen – und wäre dadurch selbst zur Gewaltquelle geworden, die ich im dunklen Draußen so sehr fürchtete!
Mit vielen Lampen und Scheinwerfern versuchen wir das Dunkel zu erleuchten – im Physischen wie im Übertragenen – und setzen dafür ein Unmaß an Energie ein, das man aus dem Weltall leuchten sehen kann. Eine andere Strategie, unserer Ängste Herr zu werden, ist, dem Dunklen Namen und Gestalten wie “der Teufel”, “Voldemord” (Der dunkle Lord bei Harry Potter) oder “Sauron” (Der Böse bei Herr der Ringe) zu geben. Mit der Hoffnung: Sei dieses EINE BÖSE endlich besiegt, indem wir ihm mit Mut und Tapferkeit begegnet seien und ES, dieses eine personifizierte B ö s e, vernichtet hätten, so könnten wir in Frieden leben.
Ängste erlösen – Frieden finden
Doch Frieden auf Erden wird erst eintreten, wenn wir unsere Ängste erlöst haben. Unsere Ängste sind es, die uns in alles Trennende hineinführen, ja die Trennung erst erschaffen. Die Angst ist der Gegenspieler der Liebe.
Am 11. November feiern wir das Martinsfest, in dem wir im Gedenken an einen Mann, der keine Angst hatte, in Kälte und Dunkelheit seinen Mantel zu teilen, viele kleine Lichter als Laternen anzünden. Schließlich hätte er den armen Bettler auch für einen Räuber halten und aus Angst erschlagen können. Aber er schaute mit offenem Herzen hin, erfasste seine Bedürfnisse und die des Anderen und handelte – teilte – aus dem Bewusstsein der Verbundenheit heraus.
BROSA: Absolutes und tiefstes Vertrauen und geistig-seelischer Mut
In der Tat brauchen wir keine Heiligen zu werden. Ein Weg zum Frieden führt über ein tiefes Vertrauen in uns, das im Yoga BROSA genannt wird. BROSA ist das Vertrauen in Gott, in die eine universelle allem innewohnende Weisheit und Schöpfungskraft. Ein Aspekt dieser göttlichen Kraft ist, uns genau zu denjenigen Erfahrungen zu führen, die sich unsere Seele zu erleben vorgenommen hat. Uns mit allem, was wir dazu brauchen, zu versorgen. Und uns aus dieser Welt genau dann scheiden zu lassen, wenn unsere Seele ihre Aufgabe im gesamten Zusammenspiel der Maya* (*Welt der Erscheinungen, Dualität) erfüllt hat. Darauf können wir vertrauen, darauf können wir uns verlassen. Das macht Mut und bringt Gelassenheit.
BROSA können wir nicht durch vernünftiges Nachdenken oder Neonlicht, das alles um uns erhellt, erreichen. Wir können unseren Verstand nicht durch gutes Zureden beruhigen, wie wenn wir einem Kind, das aus einem Albtraum im dunklen Zimmeer hochschreckt, das Licht anmachen und sagen: “Da ist doch gar nichts” und denken, damit wäre die Sache erledigt. Sobald wir das Licht wieder ausmachen und gehen, werden die Ängste und Geister-Phantasien des Kindes zurückkehren. Was dem Kind hilft ist unser eigenes Vertrauen, vielleicht in unserer warmen Stimme oder zärtlich-schützenden Umarmung voller Liebe ausgedrückt. “Es ist alles gut” überträgt sich als Schwingung des Herzens, nicht als Gedanke.
Meditation für BROSA
Im Yoga können wir BROSA in uns finden durch folgende, wunderbare und effektive Meditation. Sie entspannt das Zwerchfell, löst Verspannungen im Magen, stärkt unsere Bogenlinie, die unsere Antenne zum Höheren ist, gibt uns ein sicheres, verwurzeltes Gefühl und baut unser Energiefeld vom Herzen her schützend und segnend um uns auf. Wie in einer tröstenden Umarmung unseres Höheren Selbst, lösen sich Ängste und Projektionen aus wirren Gedanken auf. Seit ich sie regelmäßig praktiziere, erlebe ich selbst in Situationen, die noch vor Kurzem Stress in mir ausgelöst haben: Vertrauen ins Leben, Mut, Zufriedenheit und Gelassenheit. Freien Atem, entspannte Verdauung und ruhigen Puls.
Hier findest Du eine Beschreibung der Meditation für BROSA.
Friede sei mit Dir!
Von Herzen
Deine Devta
11. November 2017